X·MAL DEUTSCHLAND
EINE STIMMUNG ZWISCHEN TAG UND NACHT

"WENN DU WIRKLICH PROFESSIONELL MUSIK MACHEN WILLST. MUSST DU AUF 'NEM GROSSEN LABEL SEIN." - (ANJA HUWE). Ein wenig verwirrend ist es schon, was da mit X-Mal Deutschland vor sich geht. Aber wer konnte 1981, als die damals noch rein weibliche Band ihre ersten Singles auf dem Hamburger Label Zickzack veröffentlichte, schon ahnen, wie die Dinge sich entwickeln würden. Vom britischen 4 AD-Label aus dem Untergangstohuwabohu der Neuen Deutschen Welle gefischt, erschien die erste LP 'Fetisch' bereits in England. Weitere Singles, diverse BBC Radio-Sessions und schließlich 1984 'Tocsin' verkauften sich auf der Insel ebenfalls immer besser als hierzulande. Und dann der Bruch: Trennung von 4 AD, Gründung des eigenen Labels X-ile und im letzten Jahr schließlich der Vertrag mit Phonogram OB (in Deutschland Metronome). Nun, die Zeiten, in denen man Bands so etwas als Verrat an der Independentszene vorwarf, sind längst vorbei, und die Brieftaschen der Industrie längst nicht mehr so weit offen. X-Mal Deutschland, mittlerweile drei Frauen und zwei Männer, muß Zugeständnisse auch im Sinne der Verkaufsförderung machen - vielleicht nicht einmal ungern. Mit dem neuen Album 'Viva' also auch ein neues Marketingkonzept. Anja Huwe wird zum Star aufgebaut, die Band selbst tritt in den Hintergrund. In England hatte die 'kühle Blonde' eh schon immer eine Art germanischen Exotenbonus, und bei uns wird dieses scheinbare Mysterium entsprechend aufgebauscht. Bleibt die Musik.

'Gothic Pop' nennt man das drü ben gar nicht so unpassend, auch wenn die Düstergeschichte eigentlich schon ausgeschlachtet ist. Tanzbarer und technisch brillanter sind sie geworden, allerdings nicht unbedingt einfallsreicher. Immer noch bestimmen gedehnte Kompositionen das Bild: Sakrale Keyboardpassagen, zurückhaltendes Schlagzeug, dezent werden Gitarre und Basseingesetzt, Ober allem schwebt Anjas deutscher und englischer Gesang. Erzeugt wird eine Stimmung, irgendwo zwischen Tag und Nacht, die von den nebulösen Texten noch unterstützt wird. Dafür, daß diese Atmosphäre live rüberkommt, werden die große Bühnenausstattung und die Aura des Veranstaltungsortes sorgen. Eine über sechsjährige Bandgeschichte garantiert ein volles Programm. Interessanter noch dürfte allerdings sein, das Publikum zu studieren...

Am 10.4. [1986] im Modernes, Bremen.
aus dem "Bremer Blatt", 4/86 (?)

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